Preisverleihung

Hauptstadtpreis Goldener Julius 2008 an Regina Ziegler

 

Unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit wurde am 20. November 2008 zum zweiten Mal der „Hauptstadtpreis Goldener Julius“ im Maritim Hotel Berlin verliehen. Mit der Bronzeskulptur wird jedes Jahr eine Persönlichkeit ausgezeichnet, die sich in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien besonders um die Hauptstadtregion verdient gemacht hat.

 

Die Wahl des „Goldenen Julius“ verantworten die „Initiative Top 500“ Die Initiative versteht sich als branchenübergreifendes Netzwerk von Entscheidern und Funktionsträgern. Durch die systematische Vernetzung der im Hauptstadtbuch Plötz TOP500 vorgestellten Persönlichkeiten will die Initiative übergreifende und innovative Formen der Zusammenarbeit erwirken und damit zum Aufschwung der Berliner Wirtschaft beitragen.

 

Mit dem diesjährigen Hauptstadtpreis „Goldener Julius“ wurde Regina Ziegler, Geschäftsführerin der Ziegler Film GmbH & Co. KG, Berlin geehrt.

 

Die Laudatio wurde von Herrn Prof. Dr. Norbert Schneider, dem Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) gehalten, der uns gestattet hat, sie hier zu veröffentlichen:

 

Norbert Schneider

 

Laudatio Regina Ziegler (Julius, 20. November 2008, Berlin)

 

Menschen loben andere Menschen ähnlich selten wie ein ICE pünktlich ist. Oft ist entschlossenes Selbstlob der letzte Ausweg. Oder ein Preis. Falls es aber dazu kommt, ist das für den, der lobt, riskant. Riskanter als jedes Derivat. Immer wieder passiert es, dass ein Gelobter sich fragt: was will der von mir, dass er mich so gnadenlos lobt? Und dann unter den Huldigungen eines Lobredners zusammenbricht. Das erklärt die Gegenwart von Sanitätern. Erfahrene Lobredner, gerade auch solche von Spielfilmproduzenten, sprechen ganz ausdrücklich vom Verleihrisiko.

 

Bei der Preisträgerin des heutigen Abends ist das Verleihrisiko gering. Regina Ziegler, die Berliner Film-und Fernsehproduzentin, hat so viele Preise eingesammelt, dass ihr nichts mehr fremd ist. Allein ich habe vier mal alles durch-und weggelobt, was an ihr glänzt. Was also kann noch gesagt werden?

 

Ich versuche es mit Fakten. Man muß wissen, daß Regina Ziegler nicht nur, wie etwa Gerhard Schröder, nach Berlin gekommen ist. Sie ist auch in Berlin geblieben. In parlamentarischer Zeitrechnung fast acht Legislaturperioden. Vor bald vierzig Jahren kam sie, von Oberkirchen, aus dem Steinmaier-Land, mit festen Vorsätzen, aber ohne festen Freund. Nach Berlin. Sie hätte auch nach Hannover gehen können. Das lag näher, hätte also näher gelegen. Aber ihr Auge fiel auf Berlin. Sie wollte nicht dem Wehrdienst entgehen, sondern beim SFB lernen. Was sie dabei auch lernte, war, daß man beim SFB nicht ein Leben lang bleiben muß, wenn man vom Leben etwas haben will. Ich weiß, wovon ich rede.

 

Vielleicht sollte ich den Jüngeren kurz erklären, was SFB heißt. Das ist keine Altrockergruppe. Das war einmal ein Sender. Schon immer multikulti. Mit Migrationsvordergrund. In den frühen 80er Jahren bestand das Direktorium zeitenweise aus einem Schwaben, einem Saarländer, einem Schlesier und einem Franken. Alles spätere Wessies. Auch beim Nachwuchs. Etwa in Gestalt dieser jungen Frau aus Obernkirchen, dieser Schaumburg-Lipperin, die sie oft riskierte.

 

Das Verhältnis von Regina Ziegler zum SFB ist typisch für sie: sie machte immer beides, leben und überleben. Erst lebte sie im SFB. Dann überlebte sie den Sender. Im Unterschied zu ihm steht sie heute noch im Telefonbuch.

 

Nach ihrem Abgang aus der Masurenallee kam auch schon der erste Bundesfilmpreis. Danach berufliche Tiefschläge. Die hat sie in die Tasche gesteckt wie später jede Menge Schauspieler und Regisseure. Resigniert hat sie nie. Und gezeigt hat sie das schon gar nicht. Das bedeutet etwas in einer Branche, in der jede Menge Mimosen und Narzissen blühen, und Mimose für Mimose, Narziss für Narziss, darauf bestehen, dass man ihnen 24 Stunden täglich die Hand hält.

 

Dafür braucht man selbst ein Händchen. Regina hatte es immer für diejenigen, mit denen sie produziert hat. Produzieren heißt für sie bis heute: höchstens über die eigenen, aber nie über die Verhältnisse der anderen leben, ganz gegen die Devise: koste es, wen es wolle.

 

Berlin wurde immer mehr ihre Stadt. Andere Städte betrat sie vorwiegend dann, wenn sie sich Preise abholen mußte. Venedig, New York, Marl. Wenn Sie wissen, wo das liegt. Sie verlässt Berlin vor allem, wenn sie dreht und dafür nicht nur Christine Neubauer, sondern auch noch richtige Alpen braucht. Und bevor sie durchdreht. Sie fliegt gern, wie der Preisträger des letzten Jahres. Nach und auch auf Bangkok. Vermutlich war sie einmal eine produzierende Thai. Woher sonst hätte sie die besonderen Kenntnisse, die man zur Herstellung einer thailändischen Hühnersuppe braucht?

 

Nun fragen Sie sich mit Recht: Hat diese Frau auch Schwächen? Ja. Hat sie. Vor allem hat sie eine Schwäche für Berlin. Allen Verlockungen, etwa aus Bayern oder aus Köln, hat sie widerstanden. Mehr als Zweigstellen von ihr gibt es dort nicht.

 

Aber sie hat noch andere Schwächen. Relativ spät erst für schwarze Zahlen. Relativ lang schon für rote Hüte. Von diesen einfachen, zu keiner Zeit rot-roten, hat sie knapp hundert. Die hat sie schon gekauft, als sie auf Berliner Banken auch ohne Hut wie ein rotes Tuch gewirkt hat. Denn welche Bank, die bei Verstand ist, gibt einer jungen Filmproduzentin Geld? Heute heißt die Frage anders: ist jede Bank, die Geld gibt, auch bei Verstand? Und die Frage von morgen ist: soll man ausgerechnet einer Bank Geld geben? Als Berlinerin aus Leidenschaft wusste Regina Ziegler schon immer: lieber bei Lehmann kaufen als bei Lehmann Brothers.

 

Während andere vergeblich das Positive suchen, hat sie Negative gesammelt, unter die Matratze gelegt und drumherum ein Haus gebaut. Wenn sie nicht Negative sammelt, verbringt sie die Zeit beim Suchen von Stoffen, beim Entdecken von Schauspielern, beim Kampf um Rechte. Oder organisiert, was man früher Ereignisse nannte: einen event nach dem andern. Mit Bären-Film und dem unvergessenen Ulrich Schamoni. UNICEF-Galas mit dem ZDF. Einen Bundesfilmpreis auf dem Flugfeld von Tempelhof. Das hat sie übrigens ohne jede Volksabstimmung geschafft.

 

Es ist ähnlich wie bei einem Bäcker. Ein Produzentenleben besteht am Ende des Tages darin, mehr einzunehmen als auszugeben. Das schafft viele Höhepunkte in Sachen Tiefpunkt. Wer wissen will, wie es ist, wenn die Verzweiflung wächst, muß nur Produzentin werden und dann zuschauen, wie andere Leute ihr Geld ausgeben. Und keck behaupten, es sei für einen guten Zweck. Doch der Zweck sind sie. Derzeit hütet Regina Ziegler ein 19 – Millionen – Budget, das letzte große für Henri IV, von dem wir nicht hoffen wollen, dass es das große Letzte war. Halten wir ihr die Daumen!

 

Produzieren, meine Damen und Herren, ist noch riskanter als loben. Vor allem viel teurer.

 

Natürlich hat Regina Ziegler Feinde. Die hat sie sich redlich verdient. Aber sie macht es ihnen besonders schwer. Sie lächelt sie an. Sie folgt damit der polnischen Weisheit: Liebe deine Feinde, es könnte ihnen schaden! Überhaupt Polen: große Regisseure wie Zanussi und Wajda hat sie engagiert. Die Unkenrufe sind in Danzig uraufgeführt worden, in Gegenwart des Kaschuben, der sich in einer Dokumentation von Ziegler Film schon früh gehäutet hat

 

Meine Damen und Herren, Sie ahnen es. Was ich die ganze Zeit sagen will: es ist immer etwas los bei Regina. Fast immer ist sie atemlos. Manchmal bargeldlos. Niemals hoffnungslos. Rücke vor über Los auf die Schlossallee, und sei glücklich, wenn du in der Klopstockstraße ankommst, der Schlossallee von Schlachtensee, in der die Hunde manchmal so heißen wie die Menschen. Aber anders lachen.

 

Was macht eine Produzentin wie Regina Ziegler, wenn sie nicht gerade von ihrer fünfjährigen Enkelin Emma gefragt wird: Oma, was sind eigentlich Erotic Tales? Vanity Fair hat sie geantwortet: Professionell: halbfertige Filme sehen. Privat: kochen. Auf dem Weg vom einen zum andern: telefonieren. Wenn es um Geld oder Leben geht, wählt sie immer das Leben. Lügen hält sie für altmodisch. Man hat dazu - ich zitiere sie aus Vanity Fair - heute kaum noch Gelegenheit. Die raffinierte Lüge dauert in der Vorbereitung zu lange. Und die plumpe Lüge ruiniert das Image.

 

Regina Ziegler hat nichts zu verschenken. Weder Zeit noch Image. Was sie hat, kommt vom Arbeiten und nicht vom Erben.

 

Was Berlin an ihr hat, ist bekannt. Aber was hat sie an sich? An und für sich?

 

Im Grunde, genommen alles. Sie hat eine Tochter, mit der sie völlig anders zusammenarbeitet als dies in der deutschen Fernsehserie seit den Guldenburgs vorgesehen ist. Sie hat eine Enkelin, der sie verfallen ist. Und umgekehrt. Sie hat mehr Haare auf den Zähnen, als alle Hauptstadtjournalisten zusammen an einem Tage spalten können. Sie hat weit mehr Freunde als die Statistik erlaubt. Manche kennt sie gar nicht. Vor allem hat sie, was die harten Jungs ihrer Branche an sonnigen Tagen das Eigelb von Weicheiern nennen: Sie hat Gemüt.

 

Sie hat eine Präsenz in all den Fragen, die ihre Branche betreffen. Sie mischt sich ein. Sie mischt auf. Sie wird gefragt, sie ist gefragt. Sie ist sich nicht zu schade für das kleine statement in den großen Blättern. Sie hat keine Angst und falls doch, so zeigt sie nichts davon, auch nichts von der Urangst des Produzenten, der Angst vor jenen Künstlern, denen das Geld der andern egal ist, wenn sie damit nur ihre Kunst machen. Immer wieder hat sie diese Spielfilme riskiert, allein gegen die Bank und gegen die Kunst, in einem Land, in dem man sich den eigenen Film lieber schenkt, als daß man sich für eigenes Geld eine Karte kauft.

 

Regina Ziegler hat eine Haltung, mit der sie ihren Beruf betreibt: Respekt, Respekt vor Menschen, vor Stoffen, vor Ideen, auch vor Religionen. Selbst vor der Kanzlerin und dem Regierenden Bürgermeister. Sie hat weit über 200 Stücke produziert in bald vierzig Jahren. Sie hat, worauf ich immer wieder gerne hinweise, viele Jahre mit dem jeweils Regierenden Bürgermeister, also jahrelang mit Eberhard Diepgen, einmal im Jahr gefrühstückt. In schlechten Jahren zwei mal. Völlig ohne Folgen.

 

Und was hat sie noch?

 

Sie hat Freundschaften gepflegt, auch als es Freunden nicht gut ging. Sie hat, wenn es darauf ankam, auch dafür gesorgt, dass gute Freunde ein würdiges Begräbnis bekamen. Als Brigitte Mira neunzig wurde, hat sie ihr ein Fest im Wintergarten gegeben. Da hat Harald Juhnke ein letztes Mal gesungen.

 

Und sie hat nicht nur Wolf Gremm. Sie hat auch einen Grimme-Preis. Was sie nicht hat, ist ein Oskar. Aber den hat sie nur noch nicht. Und sie hat, wie eine gute Uhr, eine Unruhe. Kaum hat sie etwas, muß sie etwas damit machen. Gemäß der Erkenntnis, daß nicht geschehene Taten oft einen katastrophalen Mangel an Folgen auslösen. Wenn andere klagen, liest sie ein gutes Buch. Wenn andere unter einen Schirm fliehen, sieht man sie auf dem Schirm. Wenn andere unterm Pantoffel stehen, steht sie unter Strom.

 

Dafür bekommt sie heute einen Preis. Einen Strompreis. Den Julius. Den hatte sie auch noch nicht. Den hat sie jetzt auch. Jedenfalls könnte sie ihn haben. Noch sieht es so aus, als würde sie ihn annehmen.

 

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